Kernspaltung und Kernfusion
Kernspaltung und Kernfusion sind zwei fundamentale Prozesse in der Nuklearphysik, die beide zur Freisetzung von Energie führen. Doch warum geschieht das sowohl bei der Spaltung (z. B. Uran-235) als auch bei der Verschmelzung (z. B. Wasserstoffisotope zu Helium) von Atomkernen?
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Kein Leben ohne Kernfusion
Die Sonne, der Mittelpunkt unseres Sonnensystems, macht es vor: In ihrem Inneren verschmelzen bei hohen Temperaturen und Drucken Wasserstoffkerne zu Heliumkernen. Dabei wird Energie frei, die in Form von Licht und anderer elektromagnetischer Strahlung zu uns gelangt und dadurch das Leben auf der Erde erst ermöglicht.
Auch alle anderen Sterne betreiben Kernfusion. Dabei entsteht nicht nur Helium, sondern je nach Größe und Alter des Sternes ganz unterschiedliche Elemente: Alle Elemente, die leichter als Eisen sind, sind irgendwann einmal in massereichen Sternen durch Verschmelzen von Kernen entstanden.
Dieses Verschmelzen von Atomkernen passiert in Phasen. Am Anfang wird immer Wasserstoff zu Helium fusioniert. Sterne, die mehr Masse haben als unsere Sonne, beginnen, wenn der Wasserstoff knapp wird, Heliumkerne zu Kohlenstoff zu verschmelzen. Später wird Kohlenstoff zu Natrium, Neon oder Magnesium fusioniert usw. bis es schließlich zum Verschmelzen von Silizium- oder Schwefelkernen zu Eisenkernen kommt. Mit dem Eisen endet dieses „Elementekochen“ in den Sternen. Alle schwereren Elemente sind auf anderem Weg entstanden (z. B. bei Supernova Explosionen).
Aber wie funktioniert dieser Trick und warum nur bis zum Eisen?
Dazu muss man sich die Stabilität beziehungsweise den Aufbau der Kerne der Elemente genauer anschauen.
Bindungsenergie und Massendefekt
Betrachtet man alle Atome, außer das Wasserstoffatom, dann stellt man fest, dass die Atomkerne aus positiv geladenen Protonen und ungeladenen Neutronen bestehen. Die Masse eines Atomkerns müsste daher so schwer sein wie die Summe der Massen seiner Protonen und Neutronen.
Allerdings ist die Masse eines Kerns in Wirklichkeit immer etwas geringer als die Summe der Einzelmassen der Protonen und Neutronen, aus denen er besteht.
Was ist mit der restlichen Masse passiert?
Seit der Relativitätstheorie von Einstein, wissen wir, dass sich sowohl Masse in Energie als auch Energie in Masse umwandeln kann. Die freiwerdende Energie beim „Zusammensetzen“ eines Atomkernes aus Protonen und Neutronen bezeichnet man als Bindungsenergie.
Diese beobachtete Massendifferenz (der Massendefekt) beim „Bau“ des Atomkernes ist ein Maß für die Kernbindungsenergie, die den Kern zusammenhält.
Dabei sind die Kernbindungsenergien von der Größenordnung her in etwa eine Million Mal höher als die Elektronenbindungsenergien von Atomen. Genau das macht das Thema so interessant für die Gewinnung von Energie.
Bindungsenergie (pro Nukleon)
Das Diagramm zeigt die berechneten Bindungsenergien für die Elemente des Periodensystems in Abhängigkeit von ihrer Masse. Ziehe Isotope in den Reaktor, um diese zu fusionieren oder um ein Isotop zu spalten.
Sowohl durch Kernfusion als auch durch Kernspaltung kann Energie aus der Zunahme der Bindungsenergie frei gesetzt werden.
Die Bindungsenergie nimmt bis zur Eisengruppe zu und dann wieder ab. Die Kerne der Isotope der Eisengruppe sind also am stärksten gebunden.
Das bedeutet,
- dass sowohl sehr große als auch sehr kleine Kerne besonders schwach gebunden sind.
- dass durch das Verschmelzen von Kernen nur bis zur Eisengruppe Energie gewonnen werden kann, dann müsste man Energie hineinstecken, um weiter zu fusionieren.
- umgekehrt auch, dass durch die Spaltung von großen Kernen in kleinere Kerne ebenso Energie gewonnen werden kann.
Kernspaltung und kritische Masse
Spontane Kernspaltung ist eine der verschiedenen Möglichkeiten der radioaktiven Umwandlung von instabilen Atomkernen. Sie tritt nur bei sehr großen Kernen auf.
Diese Spaltung des Atomkerns in zwei oder mehr Kerne führt auch zur Abgabe von 2-3 Neutronen. Wenn Atomkerne in der Nähe diese Neutronen aufnehmen, führt das wiederum zur Spaltung dieser Kerne und eine sich selbst verstärkende Kettenreaktion kann ausgelöst werden, wenn genug spaltbares Material beisammen liegt. Die dafür notwendige Masse an spaltbarem Material wird kritische Masse genannt.
Die erste nukleare Kettenreaktion wurde während des zweiten Weltkrieges im Manhattan Projekt ausgelöst. Der italienische Physiker Enrico Fermi war für diesen „Chicago Pile“ verantwortlich. Die kritische Masse wurde durch einen Haufen aus Uran- und Graphitblöcken erreicht und dann die einsetzende Kettenreaktion sofort wieder abgebrochen.
Kernkraftwerke
Diese nukleare Kettenreaktion ist das zugrunde liegende Prinzip, um die Spaltung von Atomkernen technisch nutzen zu können. Ohne Kettenreaktion kann keine Kernspaltung über längere Zeit in Gang bleiben. Allerdings muss man danach trachten, dass die Kettenreaktion nicht zu schnell vor sich geht. Die Kontrolle dieser Kettenreaktionen ist daher der wichtigste Faktor beim Betreiben von Kernkraftwerken.
Der Kernreaktor in Zwentendorf (in Niederösterreich) wurde gebaut, ging aber nie in Betrieb. Am 5. November 1978 entschied eine Volksabstimmung in Österreich gegen die Inbetriebnahme des bereits fertiggestellten Kernkraftwerks.
In Kernreaktoren wird die Kettenreaktion zum Beispiel mit Steuerstäben reguliert, die die Zahl der freien Neutronen reduzieren. Die Gefahr dabei ist, dass die Reaktion außer Kontrolle gerät und zu Nuklearunfällen führt.
Kernreaktor steuern
Kontrolliere die Kettenreaktor mithilfe der Steuerstäbe! Schaffst du es konstant Strom zu produzieren, ohne die Kontrolle über die Kettenreaktion zu verlieren?Als Rohstoff für Kernkraftwerke dient das radioaktive Uranisotop Uran-235. Es muss nach dem Abbau in Bergwerken, künstlich aus dem Gemisch mit dem häufigeren Uran-238 angereichert werden.
Da die Spaltprodukte ebenfalls radioaktiv sind, entsteht in Kernkraftwerken Abfall, der noch Jahrtausende stark radioaktiv strahlt. Die Endlagerung alter Brennstäbe wird daher noch in tausenden von Jahren unsere Nachkommen beschäftigen.
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Stellt euch vor, vor
Kernwaffen – ein dunkles Kapitel der Menschheitsgeschichte
Bei nuklearen Bomben (Atombomben) lässt man die Kernspaltungsreaktion absichtlich unkontrolliert ablaufen. Dafür wird mit konventionellem Sprengstoff das zuvor separierte, spaltbare Material so komprimiert, dass seine überkritische Masse entsteht und die nukleare Kettenreaktion unmittelbar einsetzt.
Die ersten Kernwaffen wurden im Rahmen des Manhattan-Projektes gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von den USA entwickelt und getestet.
Der erste Test einer Kernwaffe fand im Juli 1945 statt („Trinity-Test“).
Unmittelbar darauf wurde die neue Waffe gegen die Bevölkerung Japans eingesetzt: Am 6. und 9. August 1945 forderten die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki hunderttausende Opfer (
Kernfusion auf der Erde
Kernfusion findet in der Natur in Sternen statt. Unsere Sonne hat im Inneren um die 15 Millionen Grad Celsius und 200 Milliarden bar. Bei so extrem hohen Temperaturen und Drücken kann die elektromagnetische Kraft, die die gegenseitige Abstoßung der positiv geladenen Kerne bewirkt, überwunden werden. Die Kerne kommen sich dabei so nahe, dass die starke Kernkraft überwiegt und die Kerne verschmelzen.
Aber wie bringt man Atomkerne auf der Erde einander so nahe, dass sie miteinander fusionieren können? (Und damit riesige Energiemengen freisetzen.) So extreme Bedingungen konnten lange Zeit nur durch die Energie einer Nuklearbombe erreicht werden. Zum Zünden von Fusionsbomben (Wasserstoffbomben) wird also die freigesetzte Energie aus Kernspaltungen genutzt.
An der friedlichen Nutzung der Kernfusion wird seit Jahrzehnten intensiv geforscht. Am besten erforscht sind Fusionsreaktionen mit den Ausgangsstoffen Deuterium (schwerer Wasserstoff, nicht radioaktiv) und Tritium (schwerer Wasserstoff, radioaktiv, Halbwertszeit: 12,3 Jahre). Das Fusionsprodukt wäre Helium, ein Edelgas und unproblematisch. Aber: Um die sehr empfindliche Fusionsreaktion zu ermöglichen, wird ein etwa 150 Millionen Grad Celsius heißes Plasma gebraucht. Das ist gleichzeitig Vor- und Nachteil der Kernfusion:
Einerseits stellt die Erzeugung und Kontrolle dieses Plasmas eine große Herausforderung dar.
Andererseits sind dadurch im Gegensatz zur Kernspaltung Kettenreaktionen unmöglich.
Da im Plasma die Ladungsträger nicht aneinander gebunden sind, können elektrische und magnetische Felder verwendet werden, um das Plasma einzuschließen und so die Wände des Reaktors vor den heißen Teilchen zu schützen. Das extrem heiße Plasma schwebt so im Inneren der Magnetspulen und berührt die Wände gar nicht. (Allerdings müssen sie trotzdem die Strahlungswärme aushalten.) Bei der Fusion entstehen auch schnelle Neutronen, die den Plasmabehälter erhitzen und radioaktiv aktivieren.
Das elektrische Feld der Spulen ionisierte die Atome in der Kammer zum Plasma. Das Plasma gerät durch die elektromagnetischen Felder in immer schnellere Bewegung und beginnt, sich spiralig um die zentrale Achse zu bewegen. Schon durch die Bewegung und Kollisionen der Teilchen kommt es zur Erwärmung. Weitere Energie muss zugeführt werden um die notwendigen 150 Millionen Grad zu erreichen.
In Frankreich wird gerade am „ITER“ gebaut, ein Versuchs-Kernfusionsreaktor und internationales Forschungsprojekt mit dem Fernziel der Stromerzeugung aus Fusionsenergie. Dieser Reaktor beruht auf dem russischen Tokamak-Prinzip.
Bisher befinden sich die Fusionsreaktoren immer noch im Versuchsstadium und es gelingt (noch) nicht mehr Energie freizusetzen, als zum Betreiben der Reaktion hineingesteckt werden muss. Daher wird die Kernfusion in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch keinen positiven Beitrag zur Energiegewinnung leisten können.
Wie macht man diese Energie für unseren Strombedarf nutzbar?
Sowohl Kernreaktoren als auch Fusionsreaktoren machen im Endeffekt nur Wasser heiß. Beide sind im Prinzip Wärmekraftwerke, die mit der freiwerdenden Energie über Wärmetauscher Wasser erhitzen und mit dem entstehenden Dampf Turbinen zur Stromerzeugung betreiben.